Merzig. Schmerzen in der Schulter sind wohl ein nicht ganz seltenes Leiden, nimmt man als Maßstab die rund 100 interessierten Zuhörerinnen und Zuhörer im neuen Personalcasino des Klinikums Merzig. Was also tun, wenn die Schulter schmerzt?
Hierüber sprach Holger Kessler, Leitender Arzt der Orthopädie und Unfallchirurgie, im Rahmen der neuen Reihe von Patientenvorträgen.
Schulterbeschwerden erfordern auf jeden Fall Geduld, weiß Facharzt Kessler, und das unabhängig von ihrer Ursache wie etwa Verschleiß, Unfall, OP oder auch im Rahmen einer konservativen Behandlung. Auch nach einer Operation beträgt die Heilungsdauer mindestens sechs Wochen. In dieser Zeit sei es wichtig, einen guten Physiotherapeuten an seiner Seite zu haben und täglich die von ihm gestellten „Hausaufgaben“ zu machen.
Das Schultergelenk ist das komplizierteste Gelenk des Körpers und hat einen einzigartigen Bewegungsradius von 360 Grad. Es wird fast vollständig muskulär geführt, und wird von der Bizepssehne durchquert. Oberarm, Schulterblatt und Schlüsselbein spielen bei den Bewegungen des Schultergelenks zusammen - „meiner Meinung nach ist das Schultergelenk das interessanteste Gelenk im Körper“, sagt Kessler, der als Mannschaftsarzt auch die Basketballerinnen der Saarlouis Royals betreut.
Bei Schmerzen im Schultergelenk gelte es zunächst einmal „fremde“ Ursachen auszuschließen. Denn Herzkranzgefäße können ähnlich Schmerzen verursachen, auch könnten seltene Muskelerkrankungen oder eine Gichterkrankung vorliegen. Für die Erstdiagnostik von Schulterschmerzen bieten sich Röntgenaufnahmen an. Die häufigsten Ursachen für Schulterschmerzen sind degenerative und entzündliche Erkrankungen, die altersbedingt oder durch frühere Verletzungen verursacht sein können.
Eine der bekanntesten Ursachen ist das Impingement-Syndrom, ein Engpass, der verhindert, dass die Rotatorenmanschette frei gleiten kann. „Hier können wir zwar operativ die mechanische Behinderung abtragen, aber auch da muss der entzündliche Reiz erst abklingen.“ 80 Prozent aller Patienten mit Engpässen könne allerdings bereits durch Physiotherapie geholfen werden.
Vieles hat sich in den letzten zehn Jahren bei den Schultergelenksprothesen getan. Sogenannte „inverse Prothesen“ kommen bei Arthrose und Brüchen zum Einsatz. „Damit haben wir endlich etwas, das wir den Patienten anbieten können, anstatt ihnen sagen zu müssen, da geht nichts mehr“, erklärte Kessler. Voraussetzung bei inversen Schulterprothesen, sei allerdings der richtige Zeitpunkt zum Einsetzen. Dann nämlich, wenn der Deltamuskel noch nicht zu schwach ist.
Das Frozen-Shoulder-Syndrom, also die „eingefrorene“ Schulter, die sich nicht oder nur unter stärksten Schmerzen bewegen lässt, sei übrigens auch im akuten Zustand ein No-Go für eine Operation. „Erst muss die Entzündung ausbrennen, dann folgt die Physiotherapie, eine OP sollte nicht vor einem Jahr erfolgen.“
Sportprogramme und Physiotherapie müssen übrigens dauerhaft durchgeführt werden: „Sonst helfen Ihnen der beste Arzt und die beste Operation nichts.“ In der Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin des Klinikums Merzig werden pro Jahr rund 150 Operationen an der Schulter durchgeführt. Nach seinem Vortrag stand Kessler auch noch zur Beantwortung vieler Fragen zur Verfügung.
Foto: SHG/Alexandra Broeten